Sonderreparaturbericht über ein Grundig 6099

Im Kundenauftrag kam dieser Bolide zu mir. Die Kundin entpuppte sich als Glückspils, bekam Sie dieses Radio doch für bescheidene 50,-€ in sehr gutem, optischen Zustand. Technisch bestand jedoch eine Menge Handlungsbedarf. Nach dem Kauf ließ es sich exakt einmal einschalten. Danach war nur noch großes Schweigen.

Kurz zum Radio grundsätzlich: 5 UKW Stationstasten, jede davon wird mittels aufwändiger Mechanik separat über Drahtzüge im inneren bedient. Jede Stationstaste hat einen eigenen, farbig markierten Skalenreiter.  Über der Skalenscheibe noch eine separate Platte mit verschiebbaren Sichtzeichen für die Benennung der eingestellten Sender. Und hier alles in Bestzustand noch vorhanden. Weiterhin verfügt das Radio über eine Dynamikreglung, wahlweise ein- und ausschaltbar. Vier Lautsprecher und  mit 12 Röhren ist das Radio sehr üppig bestückt. 2 x EL84 als Gegentaktendstufe. Weiterhin hat es eine automatische Senderscharfstellung. So viel Technik schreit nach jeder Menge Bauteilen. Ich wurde nicht enttäuscht.

Um überhaupt erstmal die Spannungsversorgung zu testen, war ein langsames hochfahren am Regel- Trenntrafo angedacht mit gleichzeitiger Spannungsmessung am Lade/Siebelko. Nach abnehmen der Bodenplatte, dann erstmal das:

Wie sich damit herausstellte, wurde schon mal ein neuer Becherelko "sehr fachmännisch" verbaut....oder eher reingeschmissen. Nach "auspacken" des Bechers sah man - der war seinerzeit halt gerade über. Gesamt mit vier Werten, von den zwei angeschlossenen waren, einer dann auch noch falsch. Von den ebenso gewöhnungsbedürftigen Lötstellen der neuen Verkabelung, hatte eine sich sofort verabschiedet. Der alte Becher befand sich noch im Radio, einfach mit abgekniffenen Kabeln. 

Also, hier erstmal Ordnung schaffen. Den alten original (Schränklaschen)Becherelko raus und natürlich auch den reingeschmissenen Ersatzbecher. Um den neuen (Schraub)Becherelko einbauen zu können, mußte die Öffnung wieder etwas aufgeschliffen werden. 

Danach wurden direkt noch der Koppelkondensator und ein bereits völlig zerbröselter Kondensator getauscht. Ebenso ein verkohlter Widerstand am Ausgangsübertrager und ein - wohl für das verschmoren verantwortlicher - weiterer ERO 100 Kondensator. Ebenfalls wurden alle Röhren geprüft. Die EF80, EF89, EBF89, ECH81, EM84 waren verbraucht. Beim Probelauf entpuppte sich eine weitere Röhre als fehlerhaft. Dazu später mehr.

Jetzt aber mal ein vorsichtiges hochfahren des Radios. Dabei wird die Stromaufnahme (mA), die Leistungsaufnahme (Watt) und die Spannung (Volt) am Ausgang des Gleichrichters zeitgleich beobachtet. Und tatsächlich, dem Radio konnten wieder erste Töne entlockt werden. Aber der Gleichrichter lieferte satte 55 Volt zu wenig Spannung. Am Gleichrichter zeigte sich erneut eine bereits schon einmal "fachmännisch" durchgeführte Reparatur. Ursprünglich war in dem Radio mal eine Gleichrichtersäule verbaut. Diese war nicht mehr vorhanden, dafür wurde ein Flachgleichrichter eingebaut. Das an sich ist erstmal keine Schande. Nur sollte der Ersatz den man einsetzt, auch für das Gerät geeignet sein. Laut Schaltplan muß der Gleichrichter für 150mA ausgelegt sein. Der Ersatz war jedoch nur bis 130mA geeignet. Glück gehabt das daraus nicht ein Gleich-riecht-er geworden ist....

So sehr ich ja auch bemüht bin als Ersatz wieder einen guten Selengleichrichter einzusetzen, hier mußte dann doch Plan B her. In dieser Größenordnung etwas brauchbares zu bekommen ist doch sehr unwahrscheinlich. Also, hier muß umgebaut werden auf einen Siliziumgleichrichter. Ich habe dafür vier Gleichrichterdioden BY255 verwendet und diese in ein altes Gehäuse eines Selenflachgleichrichters verbaut.

Da der Selengleichrichter einen deutlich höheren Innenwiderstand hat wie ein Siliziumgleichrichter, muß jetzt ein gewisses Maß an Spannung "vernichtet" werden. Dies geschieht über einen zusätzlichen Widerstand, welcher direkt am Gleichrichter angeschlossen wird. Welchen Wert der Widerstand haben muß, kann tatsächlich nur ausgetestet werden. Um hier nicht x Widerstandswerte ausprobieren zu müssen, ermittel ich den Wert zunächst mit einem Rheostat. Das ist eine uralte Bauform eines einstellbaren, elektrischen Widerstandes. Der von mir eingesetzte deckt den Bereich von 0 bis 360 Ohm ab. Der Bereich reicht immer, um für oberen Einsatzzweck den richtigen Wert zu finden. Unten ein Bild im Einsatz während der Ermittlung. Und ja, die kunstvoll gestaltete Halterung ist selbstgebastelt.....

Laut Schaltplan sollen am ersten Elko 290 Volt anliegen bei gedrückter UKW Taste (für den AM Bereich und TA ergeben sich andere Spannungen). Ziel ist es also, den richtigen Widerstand zu finden, damit diese 290V erreicht werden. Hier waren 100 Ohm eine Punktlandung. Nachdem der Wert ermittelt war, wurden entsprechend zwei  Widerstände mit je 9 Watt Verlustleistung in Reihe geschaltet, um in der Gesamtleistung auf 18 Watt Verlustleistung zu kommen. Hier dürfen es ruhig ein paar Watt mehr sein, denn der Widerstand wird recht heiß. Aber letztendlich ist das auch seine Aufgabe. Strom in Wärme umzuwandeln. Und hier werden die in Reihe geschalteten Widerstände ca. 67° heiß. Was kein Problem ist, laut Datenblatt ist die max. zulässige Temperatur 350°. Das Foto weiter unten, zeigt noch einen einzelnen 100 Ohm Widerstand. Da hätte der Reparateur vorher mal rechnen sollen.... Denn es mußten 66 Volt "vernichtet" werden. Und rein rechnerisch kommt man da schon auf knapp über 9 Watt Verlustleistung. Entsprechend heiß wurde der Geselle auch. Daher dann die nachträgliche Änderung auf 2 Widerstände die sich die 100 Ohm teilen.

Ein weiterer, wichtiger Punkt ist jedoch noch zu beachten. Die Einschaltspannung. Der Widerstand erfüllt seinen Zweck zwar wenn das Radio läuft, ist jedoch ohne Funktion im Einschaltmoment. Warum ist das so? Weil der Widerstand überhaupt erst etwas bewirkt, wenn Strom fließt. Und Strom fließt erst, wenn die Röhren geheizt sind und langsam alles in Wallung gerät. Im Einschaltmoment liegt also für einige Sekunden die volle Spannung an. Wenn hier jetzt z.B. der alte Lade/Siebelko im Radio verbleibt, kann das schnell eng werden. Dieser hat altersbedingt gesichert an Kapazität und somit auch an Spannungsfestigkeit verloren. 

Ich habe hier für ca. 5 Sekunden eine Spitzenspannung von 356 Volt gemessen. Dann sinkt diese ab auf die gewünschten 290 Volt (nach dem Aufheizen der Röhren = Strom fließt). Für den neuen Ladeelko also kein Problem (kurzzeitige Spitzenspannung 385 Volt, erlaubt für einen Zeitraum von 30 Sekunden bei max. 5 Schaltungen pro Stunde laut Datenblatt). Und von 385 Volt sind wir noch weit weg.

Für die gesamte Spannungsermittlung stellt sich eine weitere Frage: Aufgrund welcher ursprünglichen Spannung baut man auf? Zu Zeiten der Röhrenradios betrug die Netzspannung nur 220V. Heute 230V.  Allerdings in beiden Fällen mit deutlich erlaubten Schwankungen nach oben und unten. Näheres dazu siehe hier:

Netzspannungen früher und heute


Im Grunde hat man keine Wahl, als von den heute geltenden 230V auszugehen. Je nachdem wo das Gerät hingeht, wird der Kunde vielleicht nur 225V haben oder auch mal über 240V. Alles im Rahmen der geltenden Vorschriften. Und mit der von mir gewählten Basis von 230V auch kein Problem für das Radio. 

Im Probelauf habe ich dann verschiedene Spannungen gemessen und mit den Werten des Schaltplans verglichen. Hier das Ergebnis:

  • Spannung am Ladeelko: 290V (soll 290V)
  • Anodenspannung EL84: 283V (soll 282V)
  • Gitterspannung EL84: 254V (soll 260V)
  • Leistungsaufnahme des Radios: 90 Watt ( soll 90 Watt)
  • Spannung bei AM: 294V (soll 285V)
  • Spannung bei TA: 299V (soll 295V)
  • Heizspannung: 6,6V ( soll 6,3V)

Also alles absolut im soll. Die leichte Überheizung der Röhren stellt kein Problem da. 

Nachdem alles verbaut war, wurde für die Nachwelt auch alles entsprechend gekennzeichnet. Der potentielle Reparateur weiß so in 20 Jahern sofort womit er es zu tun hat.

Ansonsten - sehr viele Teile die auch gewechselt wurden. Der Becherelko mit den Kabeln, ist der, welcher so schön grün umwickelt war.

Versteckt unter dem Klangregister befinden sich ebenfalls drei ERO Kondensatoren. Um dort ranzukommen, muß das Klangregister demontiert werden. Eine gute Gelegenheit dieses gleich mal gründlich zu reinigen.

Weiterhin gab es zwei Drahtwiderstände, welche zwar noch werthaltig waren, aber deren Außenisolierung schon komplett abgelöst waren. Der Widerstanddraht lag völlig blank. Diese wurden ebenfalls sicherheitshalber getauscht.


Fertig? Ach was. Da kommt noch einiges.

Grundigtypisch war noch die Dämmung des Hauptlautsprechers dran. Die übliche Vampirschaumstoffdämmung (zerfällt sobald sie ans Licht kommt zu Staub....) wurde natürlich auch noch erneuert. In der Lautsprechermitte war schon nichts mehr vorhanden, wie fast immer. Bewährterweise wurde wieder Kompriband für die Neudämmung eingesetzt. Das unruhige auf dem Foto ist dem Umstand geschuldet, das dass Kompriband sofort anfängt sich auszudehnen wenn es verarbeitet ist.


Zu guter Letzt wurde dann noch der Bluetoothadapter verbaut. 

Dann war's endlich soweit, alles wieder zusammenzubauen. Und dann im soll Zustand nochmal ein paar Stunden laufen lassen. Ach, was soll ich sagen - die ausgiebigen Probeläufe sind unbezahl - und verzichtbar. Nach ca. einer Stunde verzerrte der Ton und wurde immer leiser. Das kam mir doch sehr bekannt vor vom Grundig 4090.  Aber - die Ursache war diesmal eine andere. Nur das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich. Diesmal hat sich (durch die Hitze der Röhre??) recht plötzlich ein schlechtes Vakuum in einer der EL84 gebildet. Dies war auf dem Röhrenprüfgerät wunderbar darstellbar. Hier noch ein Auszug aus der Bedienungsanleitung meines Röhrenprüfgerätes Funke W20. Wie dort beschrieben stieg der Anodenstrom bei der Messung massiv an. Unter Sollspannung (250V) schon weit oberhalb des Messbereiches. Selbst bei 210 Volt stieg der Anodenstrom bei der Vakuumprüfung von ca.30mA auf über 100mA. Röhre gewechselt - alles wieder gut. Und ich war froh nicht nochmal alles ausbauen zu müssen.


Das Radio ist ein wahres Empfangswunder. Sender an Sender und auch schwache Sender werden gut empfangen. Die automatische Senderscharfstellung ist hier sehr von Vorteil. Der Klang ist sehr gut, wenn auch ,wie so oft, stark basslastig. Aber dies kann über die Klangregelung sehr gut eingestellt werden. Mir persönlich gefällt das Klangbild am besten, wenn die Dynamikregelung ausgeschaltet ist. 

Jetzt nur noch Rückwand wieder dran und dann war's das. Mit der Instandsetzung dieses durchaus anspruchsvollen Radios und meinem bisher wohl längsten Reparaturbericht.


Bericht Ende !

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