Sonderreparaturbericht über ein Grundig 4090.

Warum ein Sonderbericht für eine Instandsetzung ? Nun, zunächst ist dieses Radio wohl eins aus den top Ten von Grundig. Einige Eckdaten: Gegentaktendstufe mit 2 x EL95, stolze 71 cm Breite, 16,2 kg Lebendgewicht, 4 Lautsprecher, Grundig fünfach Wunschklangregister über Einstellrädchen und die wohl größte Skalenscheibe die ich bisher ausbauen durfte. Das alleine verspricht schon vieles, rechtfertigt aber nicht wirklich einen Sonderbericht. 

Im Zuge des Reparaturberichtes folgt ein sehr seltener Röhrenfehler mit gravierender Auswirkung. Diesen möchte ich hier vorrangig gut dokumentieren. Aber wenn schon ein Sonderbericht, dann auch in allen Belangen ausführlich. Los geht's ! 

Im Kundenauftrag bekam ich dieses wunderschöne Radio. Wie jedes Radio das zu mir kommt, gibt es auch hierzu eine Geschichte. Seit vielen Jahren in Besitz und Betrieb, wurde es vor einigen Jahren schon einmal repariert. Nun empfängt es jedoch schlecht und brummt. Im Zuge der Instandsetzung stellte sich heraus, dass lediglich vier Kondensatoren gewechselt wurden. Und hier schienen mindestens zwei schon ziemlich alt gewesen zu sein, als sie als Ersatz verbaut wurden. Mit dieser Art von Instandsetzung, wird ein Röhrenradio schnell zur Dauerbaustelle. Es gibt kein! Radio der 50er Jahre in dieser Größe, bei dem nicht gesichert 20 bis 30 elektrische Bauteile - alle Problemkondensatoren mindestens- gesichert defekt sind. Und defekte Teile gehören ausgetauscht. Ohne Kompromisse! In dem Fall auch nur gegen fabrikneue. Selbst NOS Kondensatoren sind in der Regel genauso defekt wie die verbauten (Styroflexkondensatoren und Keramikkondensatoren natürlich ausgenommen). Die Ausgangslage: Bild eins zeigt links den Lade/Siebelko mit bereits ausgetretendem Elektrolyt, einige ERO Kondensatoren und sehr viele blaue KS " Bonbons". Alles Tauschkandidaten.

Den Punkt Austauschteile können wir kurz halten. 26 Kondensatoren, 6 Röhren, die Skalenbirnchen, die Sicherung und der eigentlich an Röhrenradios nicht erlaubte Schutzkontaktstecker mußten ausgewechselt werden. 

Was immer wieder mal vorkommt: Die Schränklaschenbecher haben zum Teil einen kleineren Öffnungsdurchmesser im Chassis wie die Schraubbecher. Wenn als Ersatz ein Schraubbecher verbaut werden soll (wie hier der Fall) muß die Öffnung einige mm aufgeschliffen werden. Tipp für Selbermacher: Bis ca. einen halben mm von den Schlitzen für die Schränklaschen entfernt aufschleifen. Dann passt der Schraubbecher gut in die Öffnung. Wichtig: Das Umfeld beim Schleifen gut abdecken. Die Metallspäne sind sehr flugfreundlich und sollten nicht im ganzen Radio verteilt werden. Vorsicht durch dadurch verursachte Kurzschlüsse ! Nach der Schleiferei das umliegende Chassis gut mit Druckluft reinigen ! Die Masseverbindung muß dann leicht angepasst werden, da der Massering unter dem Becherelko jetzt leider auf der gegenüberliegenden Seite des Chassisbleches liegt.


Was außerhalb der ganzen Elektrik auch immer wieder mal zu beobachten ist, sind sogenannte "Whiskers". Whiskers sind Einkristalle aus Metall, welche aus dem Metall herauswachsen und an kleine Häärchen erinnern. Diese entstehen gerne an Zinn- oder Zink Beschichtungen. In Röhrenradios gerne genommen. Wer so etwas feststellt, sollte sich das Chassis einmal gründlich ansehen. An den meisten Stellen unschädlich, können diese Kristalle an ungünstigen Stellen durchaus elektrische Verbindungen schaffen. Das kann tatsächlich zu merkwürdigen Fehlern führen. In diesem 4090 waren die Flächen unterhalb des Drucktastenaggregates recht stark betroffen. Gesehen aber auch schon an Drehkogehäusen, Haltern von Ferittantennen, u.a. Ich säubere diese Flächen immer gründlich. Die Kristalle lassen sich einfach wegwischen.

Im Zuge dessen wurde auch direkt die Chassisreinigung vorgenommen. Und selbstverständlich hat auch der "Equalizer" letzendlich ein neues, rotes Band bekommen.

Kommen wir nun zum spannenden Teil. Euphorie und Ernüchterung liegen ja oftmals dicht beieinander. Probelauf. Zunächst alles super. Sehr starker Empfang, hervorragender Klang. Nach einigen Minuten wurde der Ton langsam leiser bis er fast ganz weg war. Bei den Probeläufen wird von mir immer die Spannung am Gleichrichterausgang und die Leistung (Watt) direkt am Ausgang des Regel- Trenn Trafos beobachtet. War bei Start alles völlig im soll, änderte sich dies nach ca. 5 minuten. Mit der abfallenden Lautstärke fiel auch die Spannung von ursprünglich ca. 258 Volt auf ca. 220 Volt ab. Zeitgleich stieg die Leistungsaufnahme von ca. 58 Watt auf über 70 Watt. Auch wenn ich einen solchen Fall noch nicht hatte, hatte ich jedoch sofort einen Verdacht. Eigentlich ist Verdächtiger Nr.1 der Koppelkondensator zwischen Vor- und Endstufe. Dieser war aber bereits erneuert. Und da ich tatsächlich jeden neuen Kondensator vor Einbau durchmesse, konnte ich diesen gesichert ausschließen. 

Theoretisch kannte ich die eher seltene Erscheinung eines Kathoden - Gitter (Fein)schlusses in einer (End)röhre. Praktisch hatte ich den Fall aber bisher noch nie. Da der AM und der FM Bereich gleichermaßen betroffen war, waren die Verdächtigen Nr.1 die beiden Endröhren EL95. Zur Erklärung was bei einem Kathoden-Gitterschluss passiert:

Kathode und Steuergitter liegen sehr dicht beieinander, berühren sich aber nicht. Es kann z.B. vorkommen das sich Kathodenmaterial löst und das Steuergitter damit "verschmutzt". Mit zunehmender Aufheizung der Röhre beginnt nun das Kathodenmaterial auf dem Steuergitter ebenfalls Elektronen auszusenden. Das Gitter wird so zu einer weiteren (kleinen) Kathode. Das Gitter regelt jedoch den Arbeitspunkt der Endröhre. Heißt, die vorgeschriebenen Spannungen an Kathode und Gitter sorgen für eine saubere Verstärkung. Ändern sich diese Spannungen, verschiebt sich der Arbeitspunkt der Endröhre. Der Klang wird schlecht, verzerrt, leise oder es ist gar nichts mehr zu hören.

Die Kathode soll eine Spannung haben von ca. 250 Volt. Das Steuergitter eine Spannung von ca. 8 bis 9 Volt. Um den Verdacht des Gitterschlusses zu prüfen, habe ich die entsprechende Spannung gemessen (Pin 2 der EL95). Gestartet wurde mit kalten Röhren, die Messung erfolgte unmittelbar nach dem die ersten Töne zu hören waren. Die zeitgleich genommenen Messergebnisse hier:

Nach ca. 4 Minuten Betrieb dann folgende Werte, wieder zeitgleich genommen:

Erstaunlicherweise waren die Wertunterschiede bei dem leider nicht dokumentierten Versuch vor oberem Versuch noch deutlich dramatischer. Die Spannung fiel auf ca. 220 Volt ab und die Leistung stieg deutlich über 70 Watt. Aber auch die oben festgehaltene Messung zeigt schon einen Anstieg der Gitterspannung von rund 75% mit gleichzeitig 15% höherer Leistungsaufnahme ! 

Ich hatte die Röhre dann erneut in meinem Röhrenprüfgerät und habe sie dann mal einige Minuten köcheln lassen. Keine Änderung der Werte war festzustellen. Dann die betroffene Röhre noch mal ins Radio und dort erneut getestet. Kein Fehler mehr, das Radio spielte 30 Minuten absolut stabil. Jetzt sind solche Gitterschlüsse durchaus von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein klopfen auf die Röhre kann dies schon ändern. Vorrangig würde ich aber die thermische Belastung bewerten. Unter Temperatur x passiert erstmal nichts, bis der "Kippunkt" erreicht ist. Es ist durchaus möglich das sich durch das mehrfache Hochfahren der Röhre diese selber freigebrannt hat = das störende Material ist nicht mehr (ausreichend) vorhanden um den Fehler verursachen zu können. Nichtsdestotrotz - eine solch zweifelhafte Röhre verbleibt nicht in einem Kundengerät. Ggfs. werde ich diese nochmal in einem meiner Radios einsetzen. Alles in allem hat mich das zwar Zeit gekostet, war aber sehr interessant zu erleben.

Nach weiteren 12 Stunden Probelauf wurde das Radio wieder zusammengebaut. Eine Kraftmaschine mit sehr gutem Klang und Empfang.

Der Kunde wollte eigentlich kein neues magisches Auge, obwohl das alte wirklich komplett dunkel war. Für ein Foto wollte ich aber mal kurz ein neues einsetzen. Dabei stellte ich fest, das daß Radio schon mal umgebaut wurde auf die russische 6E5S. Die Umlötarbeiten waren korrekt ausgeführt. Da dachte ich mir, was soll's, die neue 6E5S bleibt jetzt einfach drin. Bei diesem schönen Radio ist ein leuchtendes, magisches Auge einfach das Sahnehäubchen. Da die Umlötarbeiten bereits erledigt waren, reiche ich es einfach zum überschaubaren Einkaufspreis durch. Natürlich auch hier nur nach vorheriger Absprache mit dem Kunden. Mein Angebot wurde gerne angenommen.

Nachtrag:

Irgendwann mußte es ja mal passieren..... Ca. zwei Wochen nachdem der Kunde das Radio abgeholt hat, bekam ich von Ihm eine Nachricht - Das Radio schweigt. Weder auf AM noch auf FM irgendein Empfang. Nur die Skalenbeleuchtung ging noch. 

Also machte ich mich auf nach Duisburg, ca. 100 km Fahrt. Aber das muß dann halt sein. Der Kunde hat die Strecke schließlich schon zwei mal gefahren und ein Ausfall nach so kurzer Zeit....

Aber zu meiner Ehrenrettung: Es lag nicht an einem der gewechselten Teile. Auch die sonst überprüften waren alle in Ordnung. Es war schicht ein Draht der direkt an einer alten Lötstelle gebrochen war. Direkt unterhalb des linken Tastenfeldes, Bereich Ausschalter. Ich denke durch den doch eher robusten Schaltvorgang, hat es dem Draht dann den Rest gegeben.

Ein Draht, welcher den kompletten Empfang lahmlegt? Ja, es muß nur der richtige sein. Die Fehlersuche ergab das die ECH81 keinen Anodenstrom hatte. Auf beiden Anoden. Dort war aber nicht der eigentliche Fehler. Besagter Draht versorgte beide (intern in der Röhre verbundenen) Schirmgitter. Somit kein Anodenstrom. Somit für AM und FM kein Empfang. Kleine Ursache, große Wirkung.

Aber nach 67 Jahren sei die kleine Schwäche Herrn Grundig verziehen😉.

Bericht Ende.




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