Reparaturberichte (8)

Bericht 21: Telefunken Rhytmus S1264

Bericht 22: Philips B6X72A

Bericht 23: Stern-Radio Sonneberg, VEB, Modell: Weimar 6118/55 GWU


Bericht 21: Telefunken Rhytmus S1264


"Endlich" mal wieder eines meiner heiß geliebten Platinenradios. Aber - dieses war durchaus interessant und ungewöhnlich aufgebaut. Obwohl schon Baujahr 1961, ausgerüstet mit zwei Endröhren ECL86 und zwei großen Frontlautsprechern, hat Telefunken hier trotzdem darauf verzichtet ein Stereogerät daraus zu machen. Es handelt sich "nur" um eine Gegentaktendstufe mit 6 Watt. Schön ist, das seitlich zwei richtige, dynamische Hochtöner als weitere Lautsprecher verbaut wurden, anstatt der heute meist defekten Elektrostaten.  Klanglich am Ende sehr gut und mit 11,5 kg eher schon ein Leichtgewicht. Ein Sonderwunsch des Kunden wurde ebenfalls noch erfüllt. Das Nachrüsten einer 6,3 mm Klinkenbuchse. Dazu später mehr.

Grundsätzlich hat Telefunken hier ein recht Servicefreundliches Radio gebaut. Es gibt im Grunde zwei Einheiten. Einmal das Chassis mit allen Funktionsteilen. Und daneben, vom Chassis getrennt, eine separate Einheit für die Stromversorgung. Hier sind Netztrafo, Ausgangsübertrager, Gleichrichter und der Lade/Siebelko untergebracht. Beide Einheiten sind über Steckverbindungen miteinander verbunden, auch die Verbindung zu den Lautsprechern ist gesteckt. Zum Ausbau muß also nichts abgelötet werden. Einzig die 230 Volt Spannungsversorgung vom Netzschalter hat keine Steckverbindung.

Das Radio machte keinen Muks mehr, nicht mal die Skalenbeleuchtung ging. Entgegen den meisten anderen Radios, gibt es hier direkt drei Feinsicherungen. Eine davon (6A) ist für die Röhrenheizung und Skalenlämpchen. Und diese war defekt. Daher natürlich kein Licht und ein komplett totes Radio. Denn ungeheizte Röhren machen nun mal - nichts. 

Die Drehkos waren recht schwergängig und wurden wieder schön leichtläufig gemacht. Der Rest der Instandsetzung war unspektakulär und reine Fleißarbeit. Schaltkontakte, Potis, Röhrenfassungen reinigen, allgemeine gründliche Reinigung und natürlich der übliche Wechsel aller Problemkondensatoren und Elkos. Der Selengleichrichter zeigte erfreulicherweise keine Schwächen und durfte im Gerät verbleiben. Die Spannungsmessungen nach Abschluß der Arbeiten waren fast Punktlandungen. Auf der Rückwand gibt Telefunken eine Leistung von 65 Watt an. Warum auch immer, obwohl alles vorbildlich arbeitet und die Spannungen stimmen, geht die Leistung tatsächlich nur auf ca. 52 Watt.


Jetzt kamen die Sonderwünsche dran. Einmal der inzwischen schon fast immer nachgerüstete Bluetoothadapter und hier dann noch eine Nachrüstung auf eine 6,3 mm mono Klinkenbuchse. An diese möchte der Kunde seine Gitarre anschließen und das Radio schlicht als Verstärker nutzen. Warum nicht. Der Kunde schrieb mir, wenn es keine gute Stelle für die Buchse gäbe, könne ich ruhig auch ein Loch ins Gehäuse bohren zur Befestigung...... Alleine schon der Gedanke daran ein Loch ins Gehäuse zu bohren führt bei mir zu senkrecht stehenden Nackenhaaren und Schauergefühlen, die den Rücken rauf und runter laufen.....

Also nein, eins der schönen, alten, geschichtsträchtigen und unwiederbringlichen Radios zu verstümmeln kommt nicht in Frage. 

Das S 1264 verfügt über zwei 5 polige DIN Eingänge auf der Rückseite. Einmal für  TA , einmal für TB. Der aufmerksame Leser wird jetzt stutzen. 5 polig? Ist doch ein mono Gerät. Richtig. Hier ist mehr Schein als Sein verkauft worden, denn es sind nur 3 Anschlüsse belegt (mono halt). Der TA Eingang wurde für Bluetooth genutzt, blieb der TB Eingang für die Klinkenbuchse. Schon mein, wirklich nur kurzfristig gefasster, Gedanke die 5 pol. Buchse zu entfernen und an diese Stelle die Klinkenbuchse zu setzen, wiederstrebte mir sehr. Nachrüsten gerne, aber wenn, dann zerstörungsfrei und jederzeit reversibel.

Und Telefunken hat 1961 schon daran gedacht, ein schönes Loch in der Rückwand zu lassen, in das man wunderbar die Buchse einbauen konnte😉. Für die Verbindung habe ich ein geschirmtes Kabel an die entsprechenden Stellen hinter der 5 pol. DIN Buchse angelötet, ohne diese zu entfernen oder zu beschädigen. Die neue Klinkenbuchse in die Rückwand gesetzt und beide miteinander verbunden. SO geht reversible Nachrüstung! Das entsprechende Kabel wurde genau so lang gelassen, das die Rückwand noch abnehmbar und runterklappbar ist.

Der obligatorische erste, längere Probelauf findet immer noch mit ausgebautem Chassis statt. Das Gehäuse steht daneben und die Radioeigenen Lautsprecher werden provisorisch angeschlossen. Radioempfang sehr gut, Bluetooth läuft einwandfrei, Klinkenbuchse funktioniert und sehr guter Klang! Also dann, alles wieder zusammenbauen. Chassis, Trafoeinheit und Gehäuse wurden wieder verheiratet, alles entsprechend angeschlossen und dann darf das gute Stück noch einige Stunden laufen. So war der Plan. Nach dem Zusammenbau - das magisches Band arbeitet einwandfrei, aaaaber - kein Ton, nur lautes Brummen....

Der erste Verdacht war dann auch gleich richtig. Die eigentlich so praktischen Steckverbindungen. Durch das etwas fummelige in Position bringen und einstecken, hatten sich von einem Stecker zwei von drei Adern im Steckkontakt gelöst. Und zusätzlich noch ein Kontakt von Stecker drei, welcher gar nicht von der Trafoeinheit kam. 

Aber Glück im Unglück. Das Radio auf den Rücken gelegt, kann man durch die Öffnung im Boden die Stecker erreichen und nachlöten. Als das erledigt war, war nun auch alles wieder gut. 

Rein optisch sind die eckigen 60er Jahre Radios nicht so ganz mein Beuteschema. Ich mag eher die aus den 50ern mit den Kurven und Rundungen. Sie wissen schon was ich meine....

Klanglich aber auf jeden Fall ein sehr schönes Radio!

Bericht Ende.

 

Bericht 22: Philips B6X72A


Dieses wunderschöne Radio wurde 1957/1958 in den Niederlanden (eventuell auch in Belgien) hergestellt. Speziell dieses hier wohl in der frühen 1957 Zeit, da ich datierte Teile aus 1956 im Radio gefunden habe. Und obwohl fast 70 Jahre alt, ist es in einem prächtigen, äußeren Zustand.  Der Lack hat nur eine kaum zu erkennende und sonst übliche Rissigkeit. Der Bespannstoff ist edel gehalten und makellos. Es gibt keine Kratzer oder große Anmackungen. Ein solcher Zustand ist eher selten, genau wie das Radio an sich.

Das Gerät besitz eine eisenlose Endstufe(n) mit je einer Endröhre EL84 und EL86. Darüber hinaus gibt es einige ungewöhnliche Komponenten, wie ich sie bei den deutschen Kollegen noch nie gesehen habe. Wenn zwei das gleiche tun, ist es halt noch lange nicht dasselbe. 

Normalerweise kommt ja das Beste zum Schluß. Ich hebe mir hier für den Schluß mal das "Schlimmste" auf.

So einfach wie genial wurde der Duplexantrieb für FM und AM gelöst. Eine am Ende der Wahlachse  sitzende Gummirolle schaltet "einfach" (steckt natürlich schon einiges an Mechanik drin) zwischen zwei Rollen hin- und her. Die Schaltrollen werden dabei jeweils  an die Gummirolle geschaltet. So wird dann der jeweilige Drehko/ Skalenzeiger bewegt. Selbst wenn das Gummi mit der Zeit etwas aushärtet, ich denke kaum das dieser Antrieb versagt. Eine grundsätzlich leichtgängige (Rest)Mechanik natürlich vorausgesetzt. 

Ungewöhnlich auch die Skalenbirnchen. 6,3 Volt und 300mA sind normal, aber hier haben diese eine Bajonetfassung. Hatte ich bisher noch nie und mußte erstmal passende Birnchen bestellen. Die im Gerät befindlichen funktionierten zwar noch, waren aber schon recht schwarz/dunkel. Darüber hinaus hatte der Kunde (ich grüße Dich Helmut) den Wunsch das orange Birnchen eingesetzt werden. Habe ich natürlich sehr gerne umgesetzt.

Es gibt mittig oben in der Glasskala drei Klangwahlknöpfe. Optisch sehr stimmig passend zum Radio, wie ich finde. Und es wurde ,eigentlich Philipstypisch, Aufwand betrieben für die Schaltung. Die Knöpfe selbst enden zunächst erstmal in je einem Bowdenzug. Diese gehen wiederum zu einer separaten, stabil befestigten Schaltsäule auf der linken Radioseite. Hier sehr schön - die Schaltkontakte sind gut erreichbar und damit gut zu reinigen ohne etwas zerlegen zu müssen.

Und auch die Schaltkontakte der übrigen Bedientasten sind reinigungstechnisch ein Träumchen. Nicht, wie üblich, irgendwo unzugänglich verbaut. Alles schaut schön zugänglich unterhalb des Chassies heraus. Ein Geschenk für jeden Instandsetzer.

Natürlich wurden die üblichen Verdächtigen ausgewechselt. Alles recht gut zugänglich. Über einen eventuell schwächelnden Selengleichrichter muß man hier nicht nachdenken, denn das Radio verfügt über eine Gleichrichterröhre EZ80. Diese war noch sehr gut in Ihren Werten, wie übrigens alle anderen Röhren auch (Ausnahme ist die völlig dunkle EM80 und eine grenzwertige ECH81).  Und hier wieder ungewöhnlich - die Befestigung des Becherelkos. Keine Schraubverbindung von unten, keine Schränklaschenbefestigung. Stattdessen zwei mit dem Chassis mittels Schrauben verbundene Halter, in welchen der Becher einfach mittels Schraubklemmung fest auf das Chassis geklemmt wird. Leider wurde der Zugang zu den Anschlüssen unter dem Chassis zugebaut mit einer Reihe Widerständen auf einem separaten Halter. Es soll ja auch nicht zu einfach sein. Nein, ich denke Philips hat, wie alle anderen auch, einen Austausch des Becherelkos nie wirklich vorgesehen. Die Betriebs- oder Lebensdauer der Radios war sicherlich für höchstens 10 bis 20 Jahre vorgesehen. Das dort in 70 Jahren mal jemand ran geht, hätte sich wohl niemand träumen lassen. Tja, wohl doch zu gut gebaut würde ich sagen.

Der Ausschalter funktionierte nicht mehr 100%ig. Bei jedem dritten, vierten Ausschalten ging der Radioempfang zwar aus, die Skalenbirnchen leuchteten jedoch weiter. Der Schalter kann mit zwei Schrauben einfach von oben vom Chassis gelöst werden. Er ist von oben mit einer Gummikappe geschützt, von unten jedoch gut zugänglich für eine Spülung. Da ich hier nur Oxidation vermutete, gab es die klassische Behandlung mit Kontakt 60, Kontakt WL und abschließend mit Kontakt 61. Während der "Flutung" wurde oft geschaltet zur unterstützung des Reinigungsprozesses. Und tatsächlich war das Schaltproblem nach der Behandlung behoben. 


Kommen wir nun zum Eingangs erwähnten "schlimmsten" Punkt. Erstaunlicherweise etwas das man zwar immer mit Vorsicht macht, aber grundsätzlich ohne große Hindernisse. Hier ganz anders - das Abnehmen der Senderskala. Ich wage mal die steile These, das auch hier eine Demontage von Philips nie vorgesehen war. Nicht ganz unberechtigt, denn eigentlich ! ist das auch nicht nötig. Ich hätte diesmal wohl auch darauf verzichtet, zu groß ist die Gefahr einer Beschädigung oder gar Bruch. Aaaaber....

Links und rechts sind die Höhen- und Bassregler. Von vorne, in die Glasskala  integriert, gibt es entsprechende Bedienknöpfe. Hier dezent klein gehalten. Das jeweilige Potie sitz naturgemäß hinter der Skala. In Verbindung mit den Potis gibt es je einen Seilzug, welcher eine Art kleinen Vorhang vor der Orchesterabbildung bedient. Eine sehr charmante Idee, kannte ich bisher auch noch nicht. Leider war der rechte Seilzug von seiner Umlenkrolle gesprungen. Es war mir nicht möglich diesen Seilzug wieder auf die Rolle zu bekommen, ohne Ihn wohl deutlich zu beschädigen. Was nicht in meinem Sinne war. 

Also, um ran zu kommen, muß die Glasskala runter. Auf ans Werk.

Es beginnt schon damit, das Lautstärkeregler und Sendersuchknopf nicht mit Schrauben auf den Wellen fixiert werden. Stattdessen sitzt im Knopf ein Federblech, welches diesen fest auf die Potiachse spannt. Sehr fest.... Runterhebeln ist nicht, das würde schon im Ansatz die Glasskala zerstören. Also ist vorsichtiges und geduldiges "runterwackeln" angesagt. Wenn der Knopf sich erstmal anfängt zu bewegen, dann hat man eigentlich gewonnen. 

Die bereits erwähnten, eher zierlichen, Potikachsen der Höhen/Tiefeneinsteller sind von vorne mit einem geriffelten Ring fest an die Skala verschraubt. Feingefühl das zweite, zum lösen der Ringe.

Jetzt gehen, oben schon erwähnte, Klangwahlknöpfe ebenfalls durch die Glasskala. Es ist tatsächlich nicht möglich, die Drücker einfach hach hinten rauszuziehen. Vorher müssen die Messingführungen/Hülsen nach vorne abgezogen werden. Und diese sind wiederum hinter der Skala, im eigentlichen Halter, mit Sprengringen gesichert. Wenigstens diese lassen sich aber recht leicht entfernen. Jetzt können die Führungen nach vorne und die Taster nach hinten rausgezogen werden. Die Verbindung zu den Bowdenzügen bleibt davon glücklicherweise unberührt.

An dieser Stelle hat man schon einiges Glasgefährdendes durchgeführt und  ein Hemd durchgeschwitzt. Und die Glasskala sitz immer noch bombenfest. Denn jetzt kommt erst die eigentliche Halterung der Skala dran. Grundsätzlich finde ich, ist das die beste Lösung eine Skala zu befestigen. Solange sie nicht abmontiert werden muß....

Die Skala wird hier von zwei Gummimuffen gehalten. Hinter der Skala gut befestigt, geht hier der Gummiring durch die Skala (dort wo ohnehin die Löcher der Lautstärke/Senderknöpfe sind) und bildet vor der Skala dann eine Wulst/Ring, welche das Glas dann wunderbar fest und trotzdem weich fixiert. Dummerweise muß bei der Demontage diese Wulst irgendwie wieder durch das deutlich engere Loch zurück gebracht werden. Jeder Versuch das in größeren Abschnitten zurück zu bringen, scheiterte. Immer vor Augen - man hantiert an einer dünnen und wohl nicht mehr zu beschaffenen Glasplatte. Denn dieses Radio ist ziemlich selten. Letztendlich war es nur möglich die Wulst mm für mm zurück in das Loch der Skala zu schieben. Niemand sollte das in Eile machen. Geduld, Vorsicht und ein ruhiges Händchen sind die Vorgabe für dieses Vorhaben. Wenn die kompletten zwei  Runden erfolgreich abgeschlossen sind, kann mit etwas nachdrücken der Gummiringe und gleichzeitigem, vorsichtigen Bewegen der Scheibe diese dann endlich entfernt werden. Der Moment wo man sich schon auf den Wiedereinbau der Skala mit ähnlicher Fummelei freut...

Entfernen der Skala: ca. 35 min.

Wieder aufziehen des Seilzuges : ca. 10 sec.

Na, immerhin war so alles gut zugänglich für eine Reinigung. Irgendwo im negativen steckt meist auch etwas positives. Man muß es nur erkennen.

Es folgte nun die gründliche Reinigung des Chassis mit anschließend ausgedehntem Probelauf. Hier im ersten Anlauf - kein Problem. Dann beim nächsten Start - UKW macht massive Störgeräusche! Die Ursache lag in der Röhrenfassung der ECH81. Obwohl schon gereinigt, ergab der "Röhrenwackeltest" ein Specktrum von tadellos bis richtig schlecht. Irgendwo gab es offensichtlich noch deutliche Oxidation in den Fassungsöffnungen. Das Problem verschwand tatsächlich erst nach zwei weiteren, gründlichen Reinigungsdurchgängen. Aber dann lief auch UKW tadellos, ein mehrstündiger Probelauf konnte starten. Hier unbedingt zu beachten: Durch die eisenlose Endstufe sind die Lautsprecher entsprechend hochohmig, hier 800 Ohm. Daher habe ich direkt die Gehäuselautsprecher für den Probelauf provisorisch angeschlossen.

In der Zeit wurde der gewünschte Bluetoothadapter bestückt und für den Einbau vorbereitet. Sehr schön - bei TA Betrieb (also hier jetzt Bluetooth) schaltet der magische Fächer aus. Das schont Ihn natürlich ungemein. Nach dem Einbau des Adapters folgen noch einige Stunden Probelauf, vorzugsweise aber immer im Radiobetrieb. Dafür bleibt der alte, verbrauchte magische Fächer noch im Radio. Der Kunde soll immer ein wirklich ungebrauchtes magisches Auge/Fächer bei Übergabe vorfinden. Nach dem späteren Einbau des neuen MF war dieser zunächst etwas zu dunkel. Der an der Fassung verbaute Widerstand soll 470 kOhm haben. Er hatte jedoch ca. 1,9 MOhm. Ein Austausch des Widerstandes brachte dann tatsächlich etwas mehr Helligkeit an der EM80.

Glücklicherweise verlief auch der Einbau der Senderskala problemlos. Es war sogar etwas einfacher wie der Ausbau. Zum Schluß wurde noch das Gehäuse etwas aufgearbeitet (obwohl es ohnehin sehr gut da stand) und dann durfen  Chassis und Gehäuse sich endlich wieder vereinen. 

Und wie das manchmal so ist, schon mal übersieht man eine Kleinigkeit. Zu meiner Schulzeit nannte man das wohl Flüchtigkeitsfehler.... 

Das Chassis war wieder mit dem Gehäuse verschraubt, Bodenplatte wieder angebracht, zwei von vier Lautsprecherkabeln wieder angelötet und dann....sah ich es....

Der Kabelstrang zum magischen Fächer wird an der Frontseite in Halteklammern gehalten. Nur muß besagter Strang dafür über den Bowdenzügen laufen. Nicht, wie jetzt, darunter. Hatte ich beim Einbau der Senderskala nicht bedacht. Also, die Klangwahleinheit noch mal ausbauen. Sprengringe entfernen, usw. So lassen ging nicht (hätte ich ohnehin nicht so gelassen), denn besagter Strang lief Gefahr mit dem AM Skalenzeiger zu kollidieren.

Wie pflegte ein alter Technikerfreund zu seinen Auszubildenden immer zu sagen wenn die Mist gebaut hatten:

"Das machste jetzt noch mal. Nicht zur Strafe, nur zur Übung"!

Tja, habe ich natürlich gemacht. Zum Glück ging das aber ohne erneut alles wieder ausbauen zu müssen. Nur halt noch etwas fummliger. Obwohl ich darauf wartete das mir ein Sprengring irgendwo ins Radio fiel, passierte das nicht. Manchmal schläft Murphy wohl auch.... 


Aber dann war es geschafft. Alles so wie es soll, gutklingend und gutaussehend.

Fazit: 

  • Optisch ein wunderschönes Radio. 
  • Technisch sehr interesannt und vieles ist anders gestaltet wie man es sonst kennt. 
  • Klanglich muss man eigentlich nichts sagen. Philipstypisch und mit der eisenlosen Endstufe einfach ein Leckerbissen zum Spaßhaben.

 Ein tolles Radio!

 

Bericht Ende.

Bericht 23: Weimar 6118/55 GWU


Endlich mal wieder eins der, von mir inzwischen sehr geschätzten, ostdeutschen Radios. Dieses stammt aus dem Jahr 1955. Gehäusetechnisch schon die typisch,klassische, meist übliche Gehäuseform der 50er Jahre. Was jedoch nicht vorhanden ist, sind die sonst auch schon fast immer üblichen Drucktasten. Hier sitzt der Wahlbereichsschalter noch als Drehschalter seitlich am Gehäuse. Eine kleine Anzeige rechts in der Senderskala über dem Wahlbereichknopf zeigt den gewählten Bereich an. Aber das Radio verfügt bereits über UKW. Dazu gibt es noch 2x KW, MW, LW, und TA. Also, alles was ein Radio braucht.


Mein Kunde ist auf dieses Radio bei Aufräumarbeiten gestoßen und es stammte noch vom Hausvorbesitzer. In seiner ersten Nachricht schrieb er u.a. "Stecker in die Steckdose und siehe da, es rauscht. Mehr aber nicht". Nach kurzer Aufklärung meinerseits wie riskant das war, stellten wir beide fest, gerne auch so viel Glück im Lotto zu haben.

Grundsätzlich, wie an anderer Stelle schon oft beschrieben, sollte man kein Röhrenradio das Jahr(zehnt)e nicht am Netz war auf keinen Fall einfach einschalten. Dies gilt für diese Radioart ganz besonders, denn es ist ein Allstromgerät. Was dazu speziell zu sagen ist, finden Sie hier:

Die Gefahren

Aber zum Glück ist nichts passiert und das es noch rauschte war in der Tat erst mal ein gutes Zeichen. Und da ich damit jetzt schon wußte das noch Leben drin ist, entschied ich mich direkt alle Problemkondensatoren, mit Ausnahme des Lade-und Siebelkos, zu tauschen. Die Röhrenprüfung ergab einige verbrauchte Röhren, unter anderem auch die eher ungewöhnliche UEL51. Verbraucht, aber sonst o.k. 

Also, erstes vorsichtiges Hochfahren am Trenntrafo. Und auch das sofortige wieder ausschalten. Denn schon bei ca. 50 Volt war ein satter Brummton zu vernehmen. Schuldig war der Siebelko mit sattem Kurzschluss. Der hatte wohl irgendwie das erste Einschalten unter voller Spannung beim Kunden doch etwas übel genommen. Womit wir auch direkt bei der ersten Besonderheit wären. Es gibt zwei Schraubbecherelkos mit je 50uF. Einer der Ladeelko, einer der Siebelko (wobei eigentlich beide Siebelkos sind). Hier war das besondere, das der Becher inkl. Massering vom Chassis mittels einer Isolierscheibe getrennt ist. Jeder Becher hatte einen eigens gewählten Massepunkt unterhalb des Chassies, mit einem Kabel entsprechend verbunden. Ich fürchtete schon, das dass noch etwas Mehrarbeit bedeutet.

Unterhalb des Chassis sah es irgendwie.... wild aus. Das war von Werk aus sicher nicht so gebaut. Ein genauer Blick auf die Becherelkos zeigte - die wurden schon einmal ersetzt. Beide waren datiert mit 12.1966. Dabei wurde wohl unterhalb des Chassis nur Wert auf funktionalität gelegt, nicht auf Ordnung.

Aber nun war einer wieder defekt. Das Gewusel und die Enge unterhalb des Chassis, brachte keine für mich brauchbare Lösung einen Ersatzelkos unterhalb einzubringen. Also, alter Becher raus, neuer rein. Da ich nur einen 2x50uF Becher hatte, nahm ich vorerst diesen. Mit der leisen Hoffnung damit auch Becher zwei direkt ersetzen zu können und der gleichzeitigen Befürchtung das dies nicht geht. Was sich später bestätigte. Der zweite, alte Becher verblieb vorerst drin. Also dann, erneuter Startversuch. 

Allstromradios machen dies besonders spannend, da sie eine recht lange Aufheizzeit der Röhren haben. Hier dauert es gute ca. 50 Sekunden bis nach dem Einschalten der erste Ton zu hören ist. Aber, immer ein Auge auf die Wattanzeige und eine Hand am Notaus. War aber alles gut, das Radio spielte! Dennoch, Becher zwei ist inzwischen ebenfalls 58 Jahre alt und der baugleich erste starb bereits den Brummtot. Also, die Verbindungen abgelötet und an den neuen Becher an Elko zwei angebracht. Jetzt kommt der Haken. Beide, eigentlich separaten, Masseverbindungen gehen jetzt zwangsläufig an den gleichen Massering des neuen Zweifachbechers. Ich fürchtete schon das dies nicht gutgeht. Naja, das Radio spielte auch so, nur stieg die Leistung um satte 20 Watt an! Na denn, geht wie erwartet also nicht.

Mit einer Ersatzunterbaulösung konnte ich mich einfach nicht anfreunden. Nehmen wir eben die alten Einzelbecher, befüllen diese neu und alles ist wie vorher fest und (Kurzschluss)sicher verbaut. Dafür werden ausnahmslos hochwertige und fabrikneue 47uF / 500 Volt Elkos von F&T verwendet. Der jeweilige Masseanschluß wurde hier dann direkt zum vorgesehenen, alten Anschlußpunkt geführt. Und für die Nachwelt wurde ein entsprechender Hinweis auf die Neufüllung auf beiden Bechern angebracht.

Die Operation glückte und die Leistungsaufnahme stimmte jetzt wieder in etwa. Was jetzt noch zu tauschen war, war der Selengleichrichter. Ein ganz alter Bautyp, bei dem ich staunte Ihn noch in einen 55er Baujahr zu finden. Er wurde ersetzt durch eine Silizumdiode BY255 plus einem 80 Ohm Vorwiderstand. Nur eine Diode, da es sich hier nur um einen Einweggleichrichter handelt.  Damit stimmten die Spannungen, ausgehend von 230 Volt, genau.


Die Skalenlampen glimmten jedoch nur leicht. Hier waren aber schlicht falsche Werte eingesetzt worden. Es sollen 120mA (ca. 1,4 Watt) eingesetzt werden, drin waren jedoch 5 Watt Birnchen. Diese wurden ausgetauscht gegen neue Birnchen mit 100mA (1,2 Watt). Jetzt gab's auch wieder Licht.

Übrigens auch ein Klassiker: Die Netzsicherung soll 400mA haben. Drin war eine mit 800 mA. Aber all das muß schon vor Jahrzehnten so gemacht worden sein. Genau wie der nächste Punkt - das Skalenseil.

Es gab ein altes, schon recht marodes und bereits mal geflicktes Skalenseil. Was es jedoch leider nicht gab war ein Skalenzeiger. Und leider hatte ich auch keinen nur ansatzweise passenden auf Lager. Da mußte ich kreativ werden. Aber auf diesem morschen Skalenseil macht ein Zeiger nur wenig Sinn. Das Anbringen würde es wohl ohnehin nicht ohne zu reißen überstehen. Also, zunächst erst mal ein neues Seil aufziehen. Das alte Seil bewegte sich mit Senderwahl zumindest in die richtige Richtung.  Da bin ich doch einfach mal klever und ziehe das neue Seil einfach an das alte angeknotet einmal komplett durch. Das funktionierte auch einwandfrei, die Überraschung kam dann später. Als der Skalenzeiger montiert war. Dazu gleich mehr.


Das neue Skalenseil war drauf und lief schön wie es soll. Jetzt muste ein Skalenzeiger her. In der hauseigenen Hobbythek (die älteren unter uns erinnern sich noch an Jean Pütz, habe ich immer gerne geschaut😉) entschied ich mich aus einem isolierten Kupferdraht einen Zeiger zu biegen. Er wurde einfach aus einer NYM-Mantelleitung geplündert. Schön formbar und doch stabil genug um die Form zu behalten. Leider gibt es dort keine rote Isolierung, die klassische Skalenzeigerfarbe. Also mußte die blaue Leitung herhalten. Diese wurde später dann einfach noch mit rotem Schrumpfschlauch überzogen. 

Im zweiten Biegeversuch paßte dann alles. Den Seilzug auf linksanschlag gedreht, Zeiger auf Markierung auf der Senderskala ausgerichtet und fertig......nein, natürlich nicht. Das wäre zu einfach und das ist es selten.

Beim drehen von der linken zur rechten Skalenseite zeigte sich eine Talfahrt des Zeigers um ca. 1 cm. Es war halt doch nicht so klever das neue Skalenseil einfach mit dem alten durchzuziehen. Denn eine Umlenkung war falsch. Es ist mir vorher gar nicht aufgefallen, aber das muß, als es den alten originalen Zeiger noch gab, auch dort schon sehr lange falsch gelaufen sein. Denn es gab entsprechend abfallende Schleifspuren auf dem Hintergrundblech (tatsächlich ein recht massives, lackiertes Blech).

Der Seilzug wurde entsprechend korrigiert und nun stimmte links- und rechtsanschlag genau mit der Makierung überein. Ich war zufrieden.....kurz. 

Jetzt kam nämlich der Moment, ob denn auch die Sender an der richtigen Stelle der Senderskala liegen. Und das taten sie nicht. Der Unterschied betrug satte zwei MHz. Die Sender waren jedoch alle glasklar zu empfangen und reichhaltig. Ebenso stimmte das Sendermaximum mit dem maximalen Ausschlag der magischen Auges (UM11). überein. Ich vermutete daher eine mechanische Ursache der Abweichung. Denn das 6118/55 verfügt über eine Variometersenderabstimmung. Dies ist, grob gesagt, ein Ferritstab der durch eine Hülse auf und ab bewegt wird, auf der ein Draht zur Abstimmung gewickelt ist. Ein Blick in die Abgleichvorschrift besagt ebenfalls, das zuerst der mechanische Abgleich gemacht werden muß.

Tatsächlich stimmten die mechanischen Abgleichpunkte nicht genau überein.  Nachdem diese stimmten lagen die Sender "nur" noch um ein MHz daneben. Für eine Änderung um ein MHz, reden wir übrigens nur um ein bis zwei mm Stellbereich. Vielmehr ist auch nicht mechanisch zu machen, da es sonst den rechten Anschlagpunkt des Skalenzeigers nicht mehr möglich macht. Ein großes Lob den Damen und Herren die das seinerzeit zusammenbauen mußten!

Den Rest mußte dann doch ein elektrischer Abgleich rausholen.

Gerne hätte ich auch hier noch die Seile ersetzt, aber das schien mir unmöglich. Alle drei Kerne bewegen sich gleichzeitig mit dem Senderrsuchrad. Die Seilzüge sind dabei mittig durch den Kern geführt und verklebt. 

Selbst wenn man irgendwie irgendwann alle drei Kerne wieder auf richtige Position bringen könnte - wie bekommt man die verklebten Seilreste aus den Kernen? Und die neuen Seilzüge schadlos wieder durchgeführt? Um dann letztendlich alle drei wieder auf exakt richtiger Position zu verkleben? Das sah man wohl auch von Anfang an Herstellerseitig so. In den besonderen Hinweisen wurde u.a. schon darauf hingewiesen, dass ein unbrauchbare Kernzug ans Werk einzusenden ist. Siehe hier:

Allstromgeräte neigen oft zu einem leichten Brummen. Dieses hier verhält sich nach getaner Arbeit genau wie in den Hinweisen beschrieben. Brummen während der Aufheitsphase, dann ist der Brumm weg.

Noch etwas ist erwähnenswert. Zunächst fällt auf, das die Rückwand keine klassischen Lüftungsöffnungen hat. Wenn man die Rückwand abnimmt, sieht man auf der linken Frontseite eine offene Stelle die den Eindruck vermittelt, als wenn dort ein Lautsprecher fehlt. Aber da fehlt nichts, das ist Absicht. Die geschlossene Rückwand und die schalldurchlässige, lautsprecherfreie Zwischenschallwand stellt eine Sterophone Schallführung dar. Sehr interessante Idee.

Letztendlich hat mich dieses Radio am Ende sehr positiv überrascht. Es empfängt sehr gut und überzeugt auch klanglich. Erstaunlich was mit der einfachen Tonblende an klanglicher Breite einzustellen ist. 

Zum Schluß noch ein Hinweis: Bei allen Allstromradios wird von mir ermittelt was Nullleiter (Verbindung mit Gerätechassis) und Phase ist. Entsprechend wird der Netzstecker des Radios beidseitig von mir gekennzeichnet. Null = -  /  Phase = + 


Der Kunde wird in einem Begleitschreiben darauf hingewiesen bei sich zu Hause an der entsprechenden Steckdose, an die das Radio angeschlossen wird, ebenfalls Null und Phase zu ermitteln und das Radio dann nur leitungsgleich einzustecken. Das ist auch für jeden Laien leicht und schnell möglich und im Zweifelsfall unterstütze ich gerne. Bei jedem potentiellen Stecksosenwechsel muß der Vorgang wiederholt werden. Die rückseitigen Anschlüsse wie z.B. für Plattenspieler (TA) oder externe Lautsprecher, u.ä. sollten NICHT genutzt werden! Das ist das Mindestmaß welches beachtet werden muss! Ganzrichtigerweise betreibt man ein Allstromradio nur über einen Trenntrafo.  Aber den werden wohl die wenigsten Kunden haben. Wichtig ist, das der Besitzer/Betreiber über die Besonderheit inkl. Risiken und Maßnahmen informiert ist. Mit der "Stecker richtig rum" Regel kann das Radio dann auch sicher betrieben werden.


Bericht Ende.


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